Ein komplexes Problem mit langfristigen Auswirkungen
Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt und dennoch leidet fast jedes 5. Kind unter Armut. Armut ist vielfältig und oft nicht auf den ersten Blick erkennbar. Kinderarmut ist ein komplexes Problem, das sich auf verschiedene Bereiche des Lebens auswirken kann. Arme Kinder haben oft schlechtere Bildungs- und Gesundheitschancen als ihre Altersgenossen. Sie leben oft in prekären Wohnverhältnissen und haben weniger Zugang zu Freizeitaktivitäten und kulturellen Angeboten. Dies kann langfristige Auswirkungen auf ihre beruflichen und sozialen Perspektiven haben. Sie sind bereits von Geburt an in vielen Lebensbereichen benachteiligt.
Was können wir als Gesellschaft dagegen unternehmen? Wie können Kinder, die in armutsgefährdeten oder -betroffenen Familien aufwachsen, dennoch zu gesunden und glücklichen Menschen werden und ein selbstbestimmtes, gelungenes Leben im Sinne einer gesellschaftlichen Teilhabe führen? Neben politischen Maßnahmen auf struktureller Ebene stellt sich die Frage, wie betroffene Kinder auch individuell gestärkt werden können.
Ursachen, Ausmaß und Lösungsansätze
Gerade Kinderarmut ist ein ernstes Problem in Österreich. Laut Statistik Austria ist etwa jedes fünfte Kind in Österreich von Armut betroffen. Im Jahr 2022 lag die Armutsgefährdungsquote von Kindern und Jugendlichen in Österreich bei 23%. Das bedeutet, dass mehr als 300.000 Kinder und Jugendliche von Armut betroffen sind.
Die Ursachen von Kinderarmut in Österreich sind vielfältig und können auf individuelle, familiäre und strukturelle Faktoren zurückzuführen sein. Arbeitslosigkeit, Niedriglohnarbeit, Alleinerziehung und fehlende Bildungschancen sind nur einige der Faktoren, die zur Armut von Familien mit Kindern beitragen können. Ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum, steigende Lebenshaltungskosten und ein unzureichendes Sozialsystem können die Situation für arme Familien zusätzlich verschärfen. Es gibt verschiedene Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um die Kinderarmut in Österreich zu bekämpfen. Dazu gehören die Sicherstellung von leistbarem, bedarfsgerechtem Wohnraum, gezielte Maßnahmen zur Energiekostensenkung, die Schaffung von Arbeitsplätzen mit angemessener Bezahlung, Ausbau sozialer und kostenfreier Infrastruktur (u.a. Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulstandorte).
Resilienzförderung: Wie Kinder gestärkt werden können
Trotz schwieriger Lebensbedingungen gibt es immer wieder Kinder, die ihre schwierigen und belastenden Lebensumstände gut bewältigen und sich zu gesunden Menschen entwickeln. Was ist das der Grund dafür? Damit beschäftigt sich die Resilienzforschung.
Resilienz bezieht sich auf die Fähigkeit eines Menschen, schwierige Lebenssituationen zu bewältigen und sich von ihnen zu erholen. Armutsgefährdete Kinder sind oft einem höheren Risiko ausgesetzt, in schwierigen Situationen zu leben, und daher ist es wichtig, nicht nur ihre Schwäche und Risiken zu sehen, sondern einen besonders achtsamen Blick auf deren mögliche Schutz- bzw. Resilienzfaktoren zu richten.
Dabei geht es darum, zu analysieren, wo
- die inneren Stärken des Kindes (z.B. Selbstbewusstsein, Fähigkeit Unterstützung anzunehmen, soziale Kompetenz, …)
- die äußeren Schutzfaktoren (z.B. stabile Bezugsperson, ein unterstützendes familiäres Netzwerk, schulische Förderung, … )
- sowie die Problemlösefähigkeit des Kindes liegen.
Resilienz gilt nicht als etwas angeborenes, sondern kann sich entwickeln. Resilienz kann in unterschiedlichen Lebensbereichen unterschiedlich ausgeprägt sein und kann gefördert werden. In erster Linie durch Herstellung einer stabilen, vertrauensvolle Beziehung, durch das Anbieten einer sicheren Umgebung, durch die Förderung des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls und die Vermittlung von einem Gefühl von Selbstwirksamkeit und einer zuversichtlichen Lebenseinstellung.
Resilienzförderung: Kein Ersatz für Armutsbekämpfung
Trotz vieler erfolgreicher Fallbeispiele in der Resilienzforschung, darf Resilienzförderung keinesfalls als „Allheilmittel“ verstanden werden. Denn das Konzept läuft Gefahr, die strukturellen Probleme von Kinderarmut auf dem Rücken der Kinder auszutragen.
Die Förderung von Resilienz kann dazu beitragen, die risikobehafteten Folgen von Armut bei Kindern zu verhindern und im Idealfall sogar eine dauerhafte Armut bis ins Erwachsenenalter zu vermeiden. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Förderung von Resilienz nicht als Entschuldigung für die Politik dienen darf, um sich nicht um die primäre Armutsprävention zu kümmern. Die Bekämpfung der Ursachen von Armut bleibt weiterhin eine vorrangige Aufgabe der Gesellschaftspolitik. Es ist ein politischer Skandal, dass es in wohlhabenden Gesellschaften immer noch eine hohe Kinderarmut gibt, was auch gegen die UN-Konvention für Kinderrechte verstößt.
Quellen:
- KINDER STÄRKEN. Ansätze zur Armutsbekämpfung aus Theorie und Praxis. Positionspapier. Volkshilfe Österreich.
- Armut und Kinderarmut. Volkshilfe Österreich. Online: https://www.volkshilfe.at/was-wir tun/positionen-projekte/armut-und-kinderarmut/ [16.03.3023]
Autorin: Nicole Erhard
Kurs: Resilienz