Das Ziel des Konfliktmanagements ist es, Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten zwischen zwei Gruppen oder Parteien so zu lösen, sodass es für Beide zu einer akzeptablen Lösung kommt und eine weitere Eskalation auszuschließen ist.
Dort wo viele Menschen zusammenkommen, wie zum Beispiel im Krankenhaus, ist das Konfliktpotential oft sehr groß. Patienten, welche ungewollt aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden und sich nun einem strengen System anpassen müssen und Klinikmitarbeiter, welche mit schweren Schicksalsschlägen arbeitet, sind davon betroffen. Zusätzlich dämpft Personalmangel, geringe Bezahlung und unzureichendes psychologisches Angebot das Arbeitsklima.
Im folgenden Abschnitt möchte ich auf ein paar Gedanken eines Patienten eingehen und diese mit dem Modell der gewaltfreien Kommunikation erläutern.
„Wo bin ich hier?“ Patientenaufnahme – eine nette junge Frau fragt mich was mir fehlt. „Bis jetzt ging es mir immer gut – ich weiß auch nicht was mit mir passiert ist?“ Ich werde in den Rollstuhl gesetzt und von einem jungen Mann in einen dunklen Raum geführt. Wer sind diese Personen? Niemand hat sich vorgestellt, oder habe ich das einfach nur überhört? Wo bin ich hier? Eine lächelnde Dame in Weiß kommt auf mich zu und erklärt mir, dass wir uns im Röntgen befinden. Ob ich eine Allergie gegen Kontrastmittel habe? Woher soll ich das wissen? Noch nie habe ich diese Form der Untersuchung benötigt. Ich werde in eine Röhre geschoben. Ich wusste gar nicht, dass ich Platzangst habe. Lassen Sie mich wieder raus! Der junge Mann erscheint und bringt mich zum nächsten Zimmer. Jetzt muss ich hier warten. Leute um mich herum husten, der Andere sitzt im Pyjama welcher mit Essensresten übersät ist, womöglich vom Frühstück. Eigentlich muss ich auf die Toilette. Wo ist eine Toilette? Darf ich alleine aufstehen? Wo ist eigentlich meine Frau? Ich bin durstig. Ich habe seit mehreren Stunden nichts mehr getrunken. Wo ist der junge Mann, dessen Name und Funktion ich nicht kenne? Nach der Untersuchung werde ich in ein Zimmer gebracht. Drei Personen sind hier bereits untergebracht. Ich möchte nach Hause. Ein typischer Krankenhausgeruch macht sich breit. Jetzt bekomme ich endlich mein Mittagessen. Eigentlich habe ich in der Aufnahme erwähnt, dass ich keinen Fisch esse – jetzt bekomme ich einen Dorsch serviert. Dann bleibt mir wohl nur die Suppe. Zwei Löffel davon probiert, schon kommt eine Krankenschwester und will wieder ein Gespräch mit mir führen, dabei habe ich das erst einer anderen Dame erzählt. „Wird hier nicht miteinander gesprochen? Lassen Sie mich jetzt endlich in Ruhe mein Mittagessen zu mir nehmen! Wie soll man hier nur gesund werden?“ Die Krankenschwester sieht mich verdutzt an, rollt ihre Augen und verlässt wortlos das Zimmer.
Auf Grund von Überforderung und Reizüberflutung, kann es schon mal vorkommen, dass ein Wunsch im falschen Tonfall geäußert wird. Die Pflegefachassistentin, welche täglich eine halbe Station betreut und ständig mit diversen Schicksalen arbeitet, kann sich vielleicht in diesem Moment nicht adäquat abgrenzen und nimmt den lauten Tonfall persönlich. Im Schwesternzimmer wird der Vorfall mit den Kolleginnen besprochen. Der Patient hat nun den Stempel „aggressiv und ungeduldig“ aufgedrückt bekommen.
Wie kann man diese Situation entschärfen beziehungsweise erst gar nicht entstehen lassen?
Ein wertvolles Instrument dafür ist die gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg. Wenn wir unsere Bedürfnisse nicht ernst nehmen, tun es Andere auch nicht. (Marshall B. Rosenberg)
Die Grundwerte, welche von Rosenberg formuliert wurden sind Wertschätzung, Empathie und Kongruenz. Diese entsprechen den meisten Menschen und sind deshalb in jeglicher Kommunikation nicht wegzudenken.
Marshall B. Rosenberg hat den Kommunikationsprozess in 4 Schritte gegliedert:
1. Beobachtung: Ich sehe die Situation im IST-Zustand, vollkommen wert- und urteilsfrei, ohne dass ich die Situation interpretiere.
- Beispiel: Der Patient sitzt auf seinem Bett und isst gerade. Im Zimmer hat es einen unangenehmen Geruch. Die Luft ist verbraucht. Die Krankenschwester betritt den Raum und möchte mit dem Neuzugang ein Gespräch führen.
- Beispiel: „Ich bin verärgert.“ Würde ich sagen, „Ich fühle mich als Mensch nicht respektiert“, wäre das eine Interpretation.
- Beispiel Patient: Ich habe großen Hunger und Durst, da ich bereits seit einigen Stunden nichts zu mir genommen habe. Ich bevorzuge mein Essen in ruhiger Umgebung zu mir nehmen zu können.
- Beispiel Krankenschwester: Ich habe bereits vier Patientenaufnahmen gemacht und noch nicht ins System eingetragen. Ständig läutet die Rufglocke und ich kann meine Arbeit nicht vollständig beenden. Ich benötige einen ruhigen Moment um diese sensiblen Themen fehlerfrei zu dokumentieren.
- Beispiel Patient: Ich möchte gerne mein Essen in ruhiger Umgebung und frischer Raumluft zu mir nehmen. Wäre es seitens der Organisation möglich, diese Mahlzeit in einem Aufenthaltsraum zu mir zu nehmen? Danach bin ich auch gerne bereit, alle weiteren Untersuchungen durchführen zu lassen.
- Beispiel Krankenschwester: Ich möchte gerne meine angefangenen Arbeiten in einer ruhigen Umgebung vollständig, fehlerfrei und korrekt dokumentieren. Wäre es möglich, dass mich eine Kollegin derweil bei der Neuaufnahme vertritt?
2. Gefühl: Was fühle ich in dieser Situation?
3. Bedürfnis: Dieser Punkt ist der zentrale Baustein einer achtsamen Kommunikation. Hier geht es darum selbst herauszufinden, was ich in diesem Moment brauche. Dies führt zu konstruktiven Lösungen und einer besseren Einigung für beide Parteien.
4. Bitten: Bitten sind immer positiv und klar formuliert. Was wünsche ich mir von meinem Gegenüber?
Betrachtet man den Fall in dieser konfliktbefreiten Sichtweise, hat jede Partei ihren Wunsch offen äußern können, ohne dass sich der Andere angegriffen oder verletzt fühlt. Zusammenfassend kann man sagen, dass durch gewaltfreie Kommunikation, menschliche Beziehungen auf eine respektvolle und wertschätzende Art und Weise gefördert werden können.
Autorin: Kerstin Wieser, BSc
Weiterbildung: Diplomierte*r Mentaltrainer*in
(Inhalte der gewaltfreien Kommunikation wurden aus dem Podcast „Coaching Inspiration“ entnommen)