Die World Heart Federation stellt 2021 fest: „Schlechte Ernährung ist weltweit für mehr Todesfälle verantwortlich als jeder andere Risikofaktor – und sie ist eine wesentliche Ursache für Adipositas, Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen.“ Die Lebensmittelindustrie leistet hierbei einen großen Beitrag im Bereich Kindermarketing. Vor allem Kinderlebensmittel werden im Fernsehen und im Internet aggressiv beworben.
Doch was bedeutet der Begriff „Kindermarketing“?
Das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) fasst folgende Werbemaßnahmen dafür zusammen:
- auffällig gestaltete Verpackung (Cartoon-Figuren, Maskottchen, Spiele)
- verniedlichte Darstellung des Lebensmittels (Gesichter, Arme und Beine)
- spezielle Form der Lebensmittel (Kekse in Tierform)
- attraktive Beigaben oder Aktionen für Kinder (Spielzeug, Gewinnspiel, kostenlose
Apps) - Werbung/Internetauftritt richtet sich speziell an Kinder (Online-Spiele, Bastelideen)
Eine Studie der Universität Hamburg zeigt, dass mediennutzende Kinder pro Tag mit durchschnittlich 15 bis 16 Werbeeinschaltungen für ungesunde Lebensmittel konfrontiert werden.
„Das Kindermarketing spricht die Kinder emotional an. Gerade im Bereich des Lebensmittelmarketings ist das problematisch, weil Kinder diese Form der Ansprache nicht kritisch verstehen und zu sehr darauf reagieren und ungesund konsumieren. Sie spüren nicht das Risiko, sondern nur den vermeintlichen Spaß“, betont Dr. Tobias Effertz vom Institut für Recht der Wirtschaft in Hamburg. Daher stellen Kinder für die Lebensmittelindustrie eine attraktive Zielgruppe dar: In der Kindheit erlernte Ernährungsmuster werden im Erwachsenenalter oft beibehalten. Außerdem haben Kinder laut der Kinder-Medien-Studie (2019) einen großen Einfluss auf die Lebensmitteleinkäufe ihrer Eltern.
Welchen negativen Beitrag leistet die Lebensmittelindustrie?
Die Lebensmittelindustrie vermarktet vorrangig energiedichte, kalorienreiche und stark verarbeitete Produkte, die übermäßig Zucker, Fett, Zusatz- und Aromastoffe enthalten, an Kinder. Mit diesen Lebensmitteln werden hohe Margen von 15% und mehr erzielt. Um auch die Eltern anzusprechen, werden vermeintliche Gesundheitsversprechen angepriesen: Süßigkeiten werden mit zugesetzten Vitaminen als „gesunde“ Zwischenmahlzeit verkauft, Werbeslogans wie „Kalzium stärkt die Knochen“ oder „Folsäure trägt zur Verringerung der Müdigkeit bei“ sollen Eltern das Gefühl vermitteln, dass sie ihren Kindern mit diesem Lebensmittel etwas Gutes tun.
Eine im August 2021 von foodwatch e.V. veröffentlichte Studie zeigt erschreckende Ergebnisse. 85,5% der beworbenen Lebensmittel enthalten zu viel Zucker, Fett und/oder Salz – bezogen auf die Nährwert-Empfehlungen der WHO Europa. Im Vergleich zur letzten Studie von foodwatch im Jahr 2015 gab es kaum Verbesserungen.
Zehn von sechzehn untersuchten Herstellern machen ausschließlich Kindermarketing für Lebensmittel, die den WHO-Empfehlungen nicht entsprechen. Dazu zählen unter anderem Ferrero, PepsiCo, Mars, Unilever und Coca-Cola. Die größte Anzahl an unausgewogenen Produkten bewerben Nestlé (44 Produkte), Kellogg‘s (24 Produkte) und Ferrero (23 Produkte).
Die WHO legte 2016 eine „Empfehlung zur Regulierung des Kindermarketings in Fernsehen und digitalen Medien“ vor, um Kinder vor aggressiver Lebensmittelwerbung zu schützen. Da es sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung handelt, ist die Umsetzung bis dato unbefriedigend. Fachgesellschaften sowie Experten und Expertinnen raten dringend zu gesetzlich verpflichtenden Regulierungen.
Natürlich müssen auch die Eltern ihre Rolle als Vorbild ernster nehmen: Sie sollten auf den regelmäßigen Verzehr von ungesunden Lebensmitteln verzichten und diese Produkte als Genussmittel ansehen. Des Weiteren sollten sie auf den jeweiligen Zucker- und Fettgehalt der Lebensmittel achten und ihren Kindern eine gesunde und ausgewogene Ernährung näherbringen. Dazu gehört auch mit Maß und Ziel zu naschen.
Autorin: Silvia Mößlacher